Luthers Messer

Luthers Messer

by Jan Duscher -
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Martin Luther setzte sich in seiner Ethik intensiv mit der Frage auseinander, wie sich christlicher Glaube mit den weltlichen Anforderungen und Pflichten, insbesondere im Kontext von Gewalt und Krieg, vereinbaren lässt. Dabei zeigte er ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Spannung zwischen der christlichen Friedensbotschaft und der Notwendigkeit, in der weltlichen Ordnung Verantwortung zu übernehmen für andere im Zeichen der Nächstenliebe. Luther diskutiert die Rolle des Christen in einem Kontext, der Gewalt und Verteidigung einschließt. Er geht davon aus, dass ein Christ sowohl im geistlichen als auch im weltlichen Bereich Verantwortung trägt. Während die geistliche Ordnung durch das Evangelium, die Liebe und die Vergebung geprägt ist, dient die weltliche Ordnung dazu, durch das Schwert die Gerechtigkeit aufrechtzuerhalten und Unrecht zu bestrafen.

Luthers Haltung zu Krieg und Gewalt war eng mit seiner Betonung des Berufsethos verbunden. Der Christ könne in seinem weltlichen Beruf, und das heißt auch als Kriegsdienstleistender, seinen Glauben leben, solange dieser Dienst gerechtfertigt sei. Dabei machte Luther jedoch eine klare Unterscheidung zwischen gerechtem und ungerechtem Krieg. Nur Verteidigungskriege, die dem Schutz der eigenen Bevölkerung und der Wahrung des Rechts dienten, waren für ihn legitim. Der Krieg müsse dem Schutz der Unschuldigen und der Aufrechterhaltung der göttlichen Ordnung dienen, keinesfalls jedoch der persönlichen Bereicherung, Aggression oder Machtgier. Ein Soldat dürfe sich nicht blind dem Befehl des Landesherrn unterwerfen, sondern müsse sein Gewissen prüfen, ob der Krieg gerecht sei. Diese Perspektive zeigt Luthers Überzeugung, dass das individuelle Gewissen des Christen in weltlichen Angelegenheiten nicht ausgeschaltet werden darf und es betont das Gebot der Nächstenliebe, welches für Luther sehr wichtig ist und auch ich würde mich diesem anschließen.

Denn ein zentrales Element in Luthers Friedensethik war die Idee, dass der Christ sich primär für andere einsetzt und nicht für sich selbst kämpft. Dieses Motiv spiegelt sich in Luthers eigenem Verhalten wider, das von der Haltung geprägt war, im Alltag sowohl praktische wie geistliche Verantwortung zu übernehmen. Ein Beispiel hierfür ist die Überlieferung, dass Luther stets ein Messer bei sich trug, um seiner Umgebung in alltäglichen Notlagen helfen zu können. Sei es, um Brot zu schneiden oder ein anderes Problem zu lösen. Dieses legte er nur vor der Kanzel ab. Dieses Messer symbolisiert Luthers Verständnis von Beruf und Dienst: Es ist ein Werkzeug, das nicht zum Schaden, sondern zum Nutzen anderer eingesetzt wird. Überträgt man dieses Bild auf die Frage von Krieg und Frieden, wird deutlich, dass Luther Gewalt nur dann als gerechtfertigt ansah, wenn sie den Schutz anderer gewährleistet. Würde Luther jedoch selbst auf eine Reise gehen, bei der er ausschließlich sein eigenes Leben schützen müsste, so ließe er das Messer zu Hause, da er für sich selbst keine Gewalt anwenden möchte. Dieses Verhalten unterstreicht Luthers zentrale Überzeugung, dass der Christ in allen Lebenslagen Gottvertrauen walten lassen sollte, während er sich im Dienst für andere der weltlichen Mittel bedienen kann.

Luthers Ethik ist somit tief in der Spannung zwischen individueller Verantwortung, Gottesvertrauen und der Notwendigkeit weltlicher Ordnung verankert. Dies geht mit meinen Ansichten zu diesem Thema einher. Die letzte Friedensdenkschrift 2007 ist auch sehr lutherisch und hat den diplomatisch sensiblen, kompromissvollen und gewaltfreien lösungspriorisierenden Ansatz. Die religiöse Aufladung der Befreiungskriege und die ideologische Verquickung von Protestantismus und Nationalismus widersprachen dieser Haltung in zentralen Punkten. Während Luther Gewalt immer auf die Verteidigung und den Schutz anderer beschränkte, wurden in den Befreiungskriegen nationalistische Motive mit christlichen Werten verbunden, um den Krieg als heiligen Akt zu legitimieren. Dies führte zu einer ideologischen Überhöhung, die Luthers differenzierte Friedensethik weit überstieg.

Die Frage, ob Kriegsleute „in seligem Stande sein können“, bleibt vor diesem Hintergrund ambivalent. Für Luther liegt die Antwort in der Ausrichtung des Handelns: Es geht um den Gehorsam gegenüber Gott und die Verantwortung für die Mitmenschen, nicht um persönliche Macht oder Ruhm. Sein Beispiel mit dem Messer zeigt, dass weltliche Mittel im Dienst für andere und im Rahmen einer gerechten Ordnung eingesetzt werden dürfen, niemals jedoch zur Verfolgung eigennütziger oder aggressiver Ziele. Dieses Prinzip begründet Luthers Friedensethik und ist auch heute noch relevant, wenn es darum geht, ethische Entscheidungen im Spannungsfeld von Glauben und Verantwortung zu treffen.