Speners Lutherverständnis

Speners Lutherverständnis

par Luca Eden,
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Bevor auf einzelne Positionen oder Zitate eingegangen werden wird, soll im Vorhinein ein Blick auf Speners Selbstverständnis geworfen werden, da es den Blick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu Positionen anderer Strömungen, wie dem Reformiertentum und dem orthodoxen Luthertum, zu schärfen vermag. 

Spener versteht sich selbst als lutherischer Theologe und bleibt "durch Dannhauer geprägt [...] lutherisch-orthodox". So bezieht sich Spener auch in seiner Pia Desideria auf Luther und seine Positionen (beispielsweise beim allgemeinen Priestertum). 

Hierin liegt sicherlich die große Gemeinsamkeit Speners mit der lutherischen Orthodoxie. Beide beiziehen sich auf Luther und sind jeweils der Ansicht, die wahre Lehre Luthers zu kennen (obwohl Luther doch teils inhaltlich unterschiedliche bis hin zu gegensätzlichen Aussagen trifft) und zu vertreten. Dieses Selbstverständnis ist die Gemeinsamkeit, das Lutherverständnis wiederrum ist der große Unterschied. 

Das lutherische Selbstverständnis ist offensichtlich auch ein gewichtiger Unterschied zu reformierter Theologie. 

Nun zu einigen exemplarischen inhaltlichen Unterschieden: 

Unterschiede zur lutherischen Orthoxie bestehen beispielsweise in der Gewichtung der theologischen Disziplinen. Im Gegensatz zum orthodoxen Luthertum, dem die Dogmatik zur Einheit der Lehre sehr wichtig war, gesteht Spener der biblischen/exegetischen Theologie die Spitzenstellung zu. Ähnlicher Natur ist der Unterschied in Bezug auf den theologischen Vollzug, wo Spener stets betont, dass Streiterei und Ähnliches nicht zuträglich und in der Regel zu vermeiden sei. Im war die persönliche Herzenshaltung wichtiger und er glaubt diesbezüglich auch, dass viele Inhalte des Studiums unnütz sind und einem Christenleben nicht dienlich sind. So versteht er Luther auch nicht so sehr als Lehrer oder "Bestätiger der Lehre", sondern viel eher als ein Vorbild lebendigen Glaubens (im Alltag). 

Schwierig zu bewerten ist für mich das Verhältnis Speners Ansicht, dass der Mensch sich in Stufen dem Göttlichen annähert und in der Heilsordnung aufsteigt, zum "simul iustus et peccator" und dem lutherischen Verständnis von Rechtfertigung. 

Wichtige Gemeinsamkeiten sind beispielsweise die hohe Wertschätzung der Schrift (sola scriptura) und die Kirchenzucht, wobei Spener die Kirchenzucht der Volkskirche als zu nachgiebig erachtet haben scheint. 

Insgesamt fällt auf, dass Luther und seine Theologie verschieden aufgefasst werden können. Dies zeigt sich exemplarisch in der Entwicklung von Pietismus und lutherischer Orthodoxie, die sich zwar auf den gleichen Ursprung beziehen, aber doch so unterschiedlich entwickelt haben und so bis heute die theologische Landschaft prägen.