Opciones de matriculación

Wenn ein Chirurg jenen Bereich des Gehirns entfernt, der als Sprachzentrum gilt, wird sprachlicher Ausdruck unmöglich. Dasselbe würde aber auch geschehen, so der Philosoph Charles Sanders Peirce (1839–1914), wenn man ihm sein Tintenfass entzöge. Die Verkörperungsphilosophie argumentiert dafür, dass der Mensch nicht nur mit seinem Gehirn denkt, sondern dass Denken ein Prozess ist, der auf gesamtkörperliche Erfahrungen und Fähigkeiten ebenso zurückgreift wie auf externe Medien – etwa auf Tinte und Papier.

Das Aufkommen der empirischen Naturforschung in der Frühen Neuzeit ging mit einer Vervielfältigung von externen „Denkmitteln“ einher: Instrumente wurden aus Metall ebenso hergestellt wie – mit Hilfe druckgrafischer Techniken – aus Papier. Praktiken des Zeichnens und der Notation wurden eingesetzt, um Beobachtungen zu dokumentieren, zu kommunizieren und zu vergleichen. Dabei ermöglichten Bilder Erkenntnisleistungen, die über Sprache allein nicht zu vermitteln sind. Paradigmatisch für solche Denkleistungen des visuellen steht die Erfindung der Perspektivkunst, aber auch andere architektonische Zeichentechniken, mit denen Räume ins zweidimensionale übersetzt und daraus wieder in die dritte Dimension überführt werden können. Solche „Operationen“ auf dem Papier dienten nicht nur der Anlage effizienter Festungen, sondern auch der Landvermessung und der strategischen Kriegsführung. Im Bereich der Medizin konnten chirurgische Eingriffe auf dem Papier eingeübt werden; in der Astronomie wurden Beobachtungen auf dem Papier zusammengetragen und im Austausch über weite Distanzen verglichen und präzisiert.

Im Seminar werden wir uns mit „Bildoperationen“ der Frühneuzeit beschäftigen, indem wir uns mit der Erfindung der Perspektivkunst und anderer Notationstechniken befassen, wie sie u. a. in der Anatomie, Astronomie, Geografie und Kriegsführung zum Einsatz kamen. Des Weiteren schauen wir uns das Nachleben solcher Techniken in der Gegenwart an – etwa bei modernsten OP-Robotern oder in der bildbasierten Kriegsführung. Kursteilnehmende werden lernen, sich aus kulturwissenschaftlicher und ideengeschichtlicher Perspektive mit historischen Objekten auseinanderzusetzen und diese in Verbindung mit heutigen Bildpraktiken und bildwissenschaftlichen Theorien zu stellen. Dabei werden wir auch reflektieren, wie sich sog. Künstliche Intelligenz zu verkörperten Denkpraktiken verhält.

Semester: ST 2025
Auto-matriculación (Teilnehmer/in)
Auto-matriculación (Teilnehmer/in)