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Dass das Theater ein Ort der Versammlung sei, dĂŒrfte eine so scheinbar selbstevidente wie fĂŒr sich genommen banale These sein. Doch welcher Art ist diese Versammlung, durch was wird sie geprĂ€gt? Oder wie werden Zusammenkunft, Vergemeinschaftung, Vielheiten, Zerstreuung und das VerhĂ€ltnis von Einzelnen-Gruppen in kĂŒnstlerischen Arbeiten behandelt?Die Masse wiederum stellt traditionell das Schreckensbild zur aufgeklĂ€rten Öffentlichkeit dar: Von unterschiedlichen Autoren wie Gustave Le Bon ĂŒber Siegmund Freud bis Elias Canetti fĂ€llt in deren Untersuchungen zur Masse auf, dass ihre amorphe und zugleich vereinheitlichende Gestalt durch ihr Affektpotenzial verunsichert und dem Individuum seine sicher geglaubten Grenzen nimmt. Wenig verwunderlich, dass Bertolt Brecht angesichts des 20. Jahrhunderts als ‚Zeitalter der Massen‘ emphatisch vom Massenmensch als einem ‚Dividuum‘, einem immer schon Geteilten, spricht. Dieser ungleich positivere Blick und die Betonung einer konstitutiven Teilung anstelle eines Ganzen lohnt heute umso mehr differenzierend aufgegriffen und in aktuelle politische Debatten eingebracht zu werden, da mit den neurechten und reaktionĂ€ren Gruppierungen wie Alt-Right, Pegida und der ‚IdentitĂ€ren Bewegung‘ eine vermeintliche ‚Volksstimme‘ und ‚Macht der Straße‘ in einem homogenisierenden Gestus behauptet werden. Der Aspekt des Uneins-Seins mit sich und der Gruppe wiederum wird demgegenĂŒber nicht zuletzt von feministischen, postkolonialenund zivilgesellschaftlich engagierten-Autor*innen stark gemacht.

Das Seminar will unterschiedliche historische wie gegenwĂ€rtige Konstellationen von Versammlungen und Debatten zu Massen(-bewegungen) untersuchen – auch in ihrer NĂ€he zum Chorischen. Vorgesehen ist bislang eine Auswahl aus folgendem Untersuchungsfeld: Von antiken Texten (Aischylos, Euripides, Platon zur ‚Theatrokratie‘) und deren Inszenierung, ĂŒber die Disziplinierung des Publikums und Herstellung der bĂŒrgerlichen Öffentlichkeit (Michel Foucault, Jeffrey Ravel, Richard Sennett) und das besagte Zeitalter der Massen im frĂŒhen 20. Jahrhundert (Brecht, Thingspiele des Nationalsozialismus, sozialistische Massenchoreographien) bis hin zu heutigen Positionen zum SingulĂ€r-Pluralen (Jean-Luc Nancy), zur Multitude (Paolo Virno, Toni Negri) zu SchwĂ€rmen, Smart-Mobs und Bloccupy (Catherine Malabou, Judith Butler) oder zur ‚tentakulĂ€ren‘ Versammlung von Menschen, Tieren und Pflanzen (Donna Haraway). Vor allem aber werden diese Debatten auf Inszenierungen und Ästhetiken bezogen, speziell von Einar Schleef, Claudia Bosse/Theatercombinat, Romeo Castellucci, Sebastian Matthias, Rimini Protokoll, Ersan Mondtag, Yasmin Godder oder Boris Charmatz.

 

Das Seminar richtet sich an Studierende im Bachelor. Vorkenntnisse sind – außer dem besuchten ersten Teil des PropĂ€deutikums im WS – nicht nötig, wohl aber die Bereitschaft, sich auch auf schwierigere Texte in gemeinsamer LektĂŒre und Befragung einzulassen sowie hin und wieder zu ausgewĂ€hlten Inszenierungen im Ruhrgebiet und nach DĂŒsseldorf zu fahren. Weiterhin ergĂ€nzen Videosichtungen als fester Bestandteil das Kursprogramm. Diese werden voraussichtlich im Anschluss an die Seminarsitzung durchgefĂŒhrt, das Material wird aber auch online mit Passwort zur individuellen Sichtung zur VerfĂŒgung gestellt.

 

Achtung: Am 24. April findet eine Doppelsitzung von 16-20 Uhr statt.

 

Zur optionalen Vorbereitung empfohlen:

-          Besuch der Choreographie „Hochwasser“ von LuĂ­saSaraiva am 4.-6. April im Tanzhaus NRW, DĂŒsseldorf

-          Annuß, Evelin (Hg.): Volksfiguren. Maske und Kothurn ; 60. Jahrgang 2014, Heft 2, Wien/Köln/Weimar 2016.

-          Butler, Judith: Anmerkungen zu einer performativen Theorie der Versammlung, Frankfurt 2016.

-          Canetti, Elias: Masse und Macht, Frankfurt 1983.

-          Malabou, Catherine: „The Crowd“, in: The Oxford Literary Review,No. 37.1 (2015), S. 25–44.

-          Rebentisch, Juliane: Die Kunst der Freiheit. Zur Dialektik demokratischer Existenz, Berlin 2012, S. 65-90.


Semester: WT 2024/25
Iscrizione spontanea (Teilnehmer/in)
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