Seit der Antike ist vorgezeichnet, was unser SelbstverstĂ€ndnis bis heute prĂ€gt. Tiere mögen von Natur aus besser ausgestattet sein, aber diese Natur nimmt sie zugleich auch in Besitz. Ein Wolf kann sich nicht fragen, ob er sich nicht lieber die MĂŒhsal der Rudeljagd ersparen sollte, um sich in einem unbeobachteten Moment einen Anteil der Beute zu schnappen. Sein Instinkt befiehlt ihm, sich den anderen Wölfen bei der Jagd anzuschließen. Nur wir Menschen sind dazu befĂ€higt, der eigenen Natur Widerstand zu leisten und damit moralfĂ€hig zu sein. Nur weil wir unsere Affekte kontrollieren können, können wir uns fragen, ob wir unsere Mitmenschen austricksen sollten, um als Trittbrettfahrer der Moral einen persönlichen Vorteil zu erzielen. Tiere hingegen sind weder VerĂ€chter noch Profiteure der Moral. Sie tun nur das, wonach es ihnen qua ihrer Natur verlangt.

Lange wurde die Vorstellung, es könne Gerechtigkeitspflichten geben, die wir nichtmenschlichen Tieren als solchen schulden, mit dem Verweis auf die ĂŒberlegenen geistigen FĂ€higkeiten des Menschen abgelehnt. Moral galt als eine Veranstaltung von Menschen fĂŒr Menschen. Historisch hat vor allem der Utilitarismus dazu beigetragen, dass die LeidensfĂ€higkeit von Tieren als ein Grund anerkannt wurde, sie in die SchutzsphĂ€ren von Moral und Recht einzubeziehen.

Heute gehört die Tierethik zu den zentralen Disziplinen der Bioethik. Vegetarismus und Veganismus liegen im Trend. Eine Tierethik kann solche Positionen jedoch nicht einfach ĂŒbernehmen, sondern muss ihre theoretischen Voraussetzungen untersuchen. Welcher begrĂŒndungstheoretische Rahmen einer Ethik erfasst Tiere in welcher Weise?

Folgende Themenschwerpunkte werden wir im Seminar behandeln:

Wie stark und in welcher Weise sind Tiere moralisch zu berĂŒcksichtigen?

Sollte man ĂŒberhaupt (und wenn ja, in welchem Maße) die Nutzung von Tieren zu menschlichen Zwecken erlauben?

Wie hat sich das Tierbild im Laufe der Zeit verÀndert?

Können wir Tieren geistige FÀhigkeiten (Absichten, Begriffe, Gedanken) zuschreiben? Und wenn ja, welchen Einfluss hÀtte dies auf ihren moralischen Status?

Semester: SoSe 2024