Immanuel Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten ist sein meistgelesener Text zur praktischen Philosophie. Die Schrift adressiert Fragen, die für die Moralphilosophie unserer Zeit prägend sind, wie: Warum moralisch sein? Stehen Moral und Eigeninteresse in einer Konflikt- oder Konvergenzbeziehung zueinander? Kant denkt, dass die Antwort in der Selbstvergewisserung unserer praktischen, auf das Handeln bezogenen Vernunft zu finden ist. Er glaubt, dass wir unser wahres Selbst realisieren, indem wir dem moralischen Gesetz entsprechen und unseren Neigungen widerstehen. Der Kategorische Imperativ liefert uns eine Handlungsanleitung in jeder Situation und ist für jede vernünftige Person realisierbar: wir müssen nur nach der Verallgemeinerbarkeit unserer Maxime fragen, um zu wissen, ob wir moralisch richtig und zugleich vernünftig handeln. Dass wir moralisch richtig handeln können bedeutet, dass wir autonom sind, dass wir Willensfreiheit haben, uns unsere eigenen (moralischen) Gesetze selbst auferlegen, in dem Sinn, dass wir das moralische Gesetz aus reiner Achtung dafür, „aus Pflicht“ befolgen können, auch gegen den Wiederstand unserer Neigungen, unseres Eigeninteresses. Wie verhält sich das dann zu der Frage nach dem eigenen Lebensglück, die die antike Philosophie primär interessiert hat? Wie plausibel ist die Annahme, dass nur eine Handlung aus Pflicht, aus reiner Achtung vor dem moralischen Gesetz moralischen Wert hat und eine altruistische Handlung aus Neigung keinen moralischen Wert hat? Kann man die Position vertreten, dass nur die Intention einer Handlung über ihren moralischen Wert entscheidet und die Folgen der Handlung moralisch irrelevant sind? Wir werden im Seminar vor allem Kants Text gründlich lesen und seine Argumentation zu rekonstruieren versuchen. Darüber hinaus werden wir Kants Position mit Einwänden konfrontieren und diskutieren.

Semester: WiSe 2023/24