Moralische Deliberation ist eine Art des praktischen Denkens: Sie zielt darauf ab, zu entscheiden, was zu tun ist, und führt, wenn sie erfolgreich ist, zu einer Handlungsabsicht. Paradigmatisch besteht moralische Deliberation somit in den praktischen und erstpersonalen Überlegungen einer Akteurin darüber, was sie moralisch tun sollte.
In der philosophischen Literatur wird moralische Deliberation häufig als aktives oder explizites Denken behandelt, bei dem der Argumentierende, verantwortungsbewusst geleitet von der eigenen Einschätzung seiner Gründe und unter Einhaltung bestimmter Rationalitätsanforderungen, versucht, eine gut begründete Antwort auf eine klar definierte Frage zu finden. Zugleich ist jedoch zunehmend empirisch untermauert, dass unser moralisches Denken oft gerade nicht explizit ist: Stattdessen findet es in Form einer unbewussten Verarbeitung von Informationen statt, möglicherweise einschließlich Emotionen, die zu einem neuen moralischen Urteil führt, ohne dass wir uns der einzelnen Schritte einer Schlussfolgerung bewusst sind.
In diesem Seminar werden wir uns mit verschiedenen Arten, moralische Deliberation zu charakterisieren, befassen. Dabei streifen wir verschiedene Herausforderungen, vor welchen die philosophische Untersuchung der moralischen Deliberation steht: Wie erkennen wir moralische Erwägungen und gehen mit Konflikten zwischen ihnen um? Wie bewegen moralische Erwägungen uns zum Handeln? Wie können wir aus einer Betrachtung moralischer Deliberation Erkenntnisse darüber gewinnen, was wir tun sollten?
- Kursleiter/in: Inken Titz