In den letzten Jahren beklagen viele eine abnehmende Streitkultur in westlichen Gesellschaften. Es scheint die Fähigkeit abzunehmen, sich bei allen unausrottbaren menschlichen Unzulänglichkeiten, Vorurteilen und mangelndem sprachlichen Geschick ĂĽber moralische und ideologische Differenzen hinweg rational und höflich zu verständigen. In diesem und den kommenden Semestern möchte ich mit Ihnen unterschiedliche Probleme dieser gegenwärtigen Streit(un)kultur erörtern. Während wir in diesem Semester untersuchen werden, was Hatespeech und andere unethische Formen des Sprachgebrauchs ausmacht, werden wir uns im Sommersemester 2021 mit dem Thema Rede- und Wissenschaftsfreiheit und im Wintersemester 21/22 mit tiefgehenden moralischen Divergenzen befassen.
Einerseits entwickelt sich besonders im Netz hoch aggressive und verletzende Formen der „Kommunikation“. Gleichzeitig ist man auf die Bedrohungen für die menschliche Würde aufmerksam geworden, die von abwertenden und respektlosen Reden ausgehen. Wir tun nicht nichts, wenn wir „“bloss reden“, vielmehr handeln wir, wenn wir sprechen, und erzeugen dabei gezielt und ungezielt Wirkungen. Offensichtlich können wir mit Worten nicht nur Versprechen geben und Institutionen wie Ehen schließen, sondern auch Menschen ausschließen und ihr Wohlbefinden, Selbstvertrauen und Sicherheitsgefühl schwer beeinträchtigen. Infolgedessen wird heute oft verlangt, besonders gegenüber Mitgliedern von Gruppen, die Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt waren, die Rede sprachliche Neuerungen anzupassen und Themen zu verbieten oder zu tabuisieren, die als Kränkung wahrgenommen werden könnten. Diese gutgemeinte Forderung nach Sensibilisierung und Reglementierung erzeugt jedoch wieder andere Folgeprobleme für die Streitkultur, da sie auch zur Tabuisierung von Themen und anderen Kommunikationshindernissen führen kann, durch die ein wechselseitigen Verstehen eher erschwert wird. Ausgehend von John L. Austins „How to Do Things with Words” werden wir die Problematik abwertender Reden im privaten und öffentlichen Raum untersuchen. Der Schwerpunkt wird auf Hatespeech und anderen abwertenden Reden gegenüber sozialen Gruppen liegen.

Der Erwerb von CPs ist durch die wöchentliche Beantwortung schriftlicher Fragen zu den Texten und ein Essay gegen Ende des Seminars möglich, in der Sie auf Grundlage der Diskussionen eine eigene Stellungnahme entwickeln. Noten können Sie durch eine Hausarbeit oder mündliche Prüfung erwerben.

Semester: WT 2024/25