Mit der im 19. Jahrhundert einsetzenden Industrialisierung und Urbanisierung entstand in Deutschland zugleich ein modernisierungskritischer Diskurs, der die damit einhergehenden Verlusterfahrungen thematisierte. Ein Schlüsselbegriff hierbei war ‚Heimat‘, der zu einem Sehnsuchtsort wurde und all das verkörperte, was durch die Moderne verlorenzugehen drohte: vor allem soziale Bindung und Gemeinschaft, die der drohend beschriebenen Entwurzelung des Menschen entgegenzuwirken versprachen. Dies war zugleich mit vielfältigen Versuchen verbunden, durch Architektur und Siedlungsplanung Heimat herzustellen. Insbesondere im ersten Drittel des Jahrhunderts verknüpfte sich damit die Vorstellung von Landschaft, deren topographische und kulturelle Werte nun in die Architektur übertragen werden sollten. Die Idee von Heimat verkehrte sich so von etwas Ursprünglichen, Vorgegebenen in etwas erst noch zu Erreichendes, künstlich zu Schaffendes. In diesem Hauptseminar wollen wir uns diesem Phänomen in einer doppelten, sowohl architektur- als auch zeithistorischen Perspektive nähern. Dazu beschäftigen wir uns mit exemplarischen Versuchen, Heimat zu bauen. Der Schwerpunkt wird dabei auf Deutschland im 20. Jahrhundert liegen, wobei wir einen Bogen vom Kaiserreich bis in die vereinte Bundesrepublik schlagen.

Alle Sitzungen finden an den angekündigten Wochentagen und zur vorgesehenen Uhrzeit statt. Technische Details siehe Moodle.

Einführende Literatur:
Moravánszky, Ákos (Hg.): Das entfernte Dorf. Moderne Kunst und ethnischer Artefakt, Wien / Köln / Weimar 2002
Umbach, Maiken; Hüppauf, Bernd (Hgg.): Vernacular Modernism. Heimat, Globalization and the Built Environment, Stanford 2005
Vinken, Gerhard: Zone Heimat. Altstadt im modernen Städtebau, Berlin / München 2010
Brigitta Gerber, Ulrich Kriese (Hg.) Boden behalten –Stadt gestalten (Rüffer & rub 2019) Lepik, Andreas; Strobl, Hilde (Hrsg.): Die Neue Heimat [1950-1982]. Eine sozialdemokratische Utopie und ihre Bauten. München: Edition DETAIL 2019 (Katalog) Klinke, Ian: Bunkerrepublik Deutschland. Geo- und Biopolitik in der Architektur des Atomkriegs. Bielefeld 2019 Jochen Molitor: Rezension zu: Klinke, Ian: Cryptic Concrete. A Subterranean Journey Into Cold War Germany. Oxford 2018: https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-26610

Bitte beachten Sie, dass die Anmeldung über Moodle verbindlich ist.

Semester: ST 2024