Die Gesellschaft für deutsche Sprache wählte „postfaktisch“ zum Wort des Jahres 2016 – genau einen Monat nach der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA. Wenige Monate später, im April 2017, fanden in mehreren hundert Städten auf der ganzen Welt sogenannte „Marches for Science“ statt, mit denen auf den politischen Druck hingewiesen werden sollte, unter den die Wissenschaft immer mehr gerät, sowie auf die gesellschaftliche Bedeutung einer freien Wissenschaft. Auch in Deutschland finden sich neue wissenschaftsskeptische und sogar -feindliche Strömungen in Gesellschaft und Politik. Beispiele hierfür liefern u.a. die AfD und Pegida. Es besteht kein Zweifel: In vielen Regionen der Welt ist ein neues Spannungsverhältnis zwischen Wissenschaft und Gesellschaft entstanden, von dem noch nicht zu sagen ist, wie es sich weiter entwickeln wird. Was sind die Ursachen dieses Spannungsverhältnisses? Was macht es mit Wissenschaft, wenn sie zu ihrem eigenen Schutz selbst politisch zu werden muss? Welchen Einfluss hat es auf die Gesellschaft, wenn sich in ihr Wissenschaft immer weniger frei entfalten kann? Wie kann Wissens- und Wissenschaftstransfer in diesen Kontexten funktionieren? Und wie sollten die Geisteswissenschaften und insbesondere die Philosophie auf globale Entwicklungen wie den Klimawandel, Flucht, Migration sowie auf den aktuellen Rechtsruck in Politik und Gesellschaft reagieren?

Im Seminar werden diese und ähnliche Fragen diskutiert. Es dient der inhaltlichen und organisatorischen Vorbereitung eines zweitägigen Workshops mit auswärtigen Referentinnen und Referenten, der Anfang Februar 2018 an der Ruhr-Universität stattfinden wird (im Anschluss an die Vorlesungszeit). Seminar und Workshop sind Teil des Lehrprojekts RUPI – Research under Philosophical Investigation, das im Rahmen des Universitätsprogramms ‚Forschendes Lernen‘ stattfindet. Ein Scheinerwerb ist nur durch die aktive Teilnahme an beiden Veranstaltungen möglich. RUPI bietet Studierenden die Möglichkeit, eigenständig thematische Schwerpunkte zu setzen und die Konzeption des Workshops zu gestalten. Wenn Sie Interesse an einem ungewöhnlichen ‚Lehrexperiment‘ haben und bereit sind, daran mit starkem Engagement teilzunehmen, wird sich die Teilnahme für Sie lohnen. Über das weitere Vorgehen und die heranzuziehende Literatur (neben der unten aufgeführten) informiert die erste Sitzung.

 

Literatur zur Einführung

Carrier, Martin (2005): „Verwertungsdruck und Erkenntnisgewinn: Philosophische Reflexion angewandter Forschung“, Information Philosophie 3/2005, S. 7–19. 

Collins, Harry und Robert Evans (2017): Why Democracies Need Science, Cambridge (UK) und Malden (MA): Polity Press.

Nussbaum, Martha C. (2010): Not for Profit. Why Democracy Needs the Humanities, Princeton (NJ): Princeton University Press.

Schurz, Gerhard und Martin Carrier (2013): Werte in den Wissenschaften. Neue Ansätze zum Werturteilsstreit, Berlin: Suhrkamp.


Semester: WT 2024/25