Lektionen
Meist erwarten Sie zwischen drei und vier Repetitionsfragen und ebenso viele Modulfragen.
Inhalt dieses Lektionenpaketes:
- Das Motiv des verfolgten Propheten
- Das Motiv des leidenden Gerechten
- Das Motiv des leidenden Gottesknechts
- Das Motiv der SĂĽhne
- Das Motiv der Erlösung
Am Ende der 5 Lektionen stehen Repetitionsfragen zum gesamten Modul.
Repetitionsfragen zum Gesamtmodul:
- Welche Gemeinsamkeiten gibt es in den verschiedenen Deutungsmotiven des Neuen Testaments zum Tod Jesu?
- Welche Unterschieden gibt es zwischen es den verschiedenen Deutungsmotiven des Neuen Testaments zum Tod Jesu?
- Wo können die Motive einander ergänzen? Wie stehen sie in Spannung zueinander?
Lektion 3 - Das Motiv des leidenden Gottesknechts
BuĂźgebet und Abendmahl
Die Motive des leidenden Gerechten und des leidenden Propheten können das Gottesverhältnis und die Sendung Jesu so erhellen, dass die Passion nicht als Widerspruch, sondern als Konsequenz seiner Messianität erscheint, die der Rettung Israels und aller Welt dient. Sie können aber nicht dem Tod Jesu selbst Heilsbedeutung zuschreiben. Andere Motive können das; sie sind deshalb theologisch tragfähiger und hermeneutisch umstrittener. Das Opfer des leidenden Gottesknechtes ist ein wichtiges Beispiel; Sühne (Lektion 4) und Lösegeld (Lektion 5) sind weitere neutestamentliche Belege.
Alttestamentlicher Basistext ist Jes 53, das Vierte Lied vom Gottesknecht. Eine direkte Referenz im Neuen Testament ist 1Petr 2,21-24. Dort wird die Gewaltlosigkeit Jesu als inneres Moment seines Heilsdienstes besprochen. Auf diese Weise kommt das Ethos der Soteriologie zum Ausdruck: nicht durch Gewalt, sondern durch Leiden, nicht durch Rache, sondern durch Hingabe, nicht durch Vergeltung, sondern durch Opfer.
Bei anderen Texten ist der Bezug auf Jes 53 zwar strittig, aber wesentlich:
- in der Herrenmahlstradition (Mk 14,24: „... Blut … , vergossen für viele“; Mt 26,28: „… zur Vergebung der Sünden“),
- in Glaubensbekenntnissen (1Kor 15,3-5: „... für unsere Sünden gestorben“; Röm 4,25: „hingegeben unserer Übertretungen wegen, auferweckt unserer Rechtfertigung wegen“),
- im Glaubenszeugnis des Täufers (Joh 1,29: „Seht, das ist das Lamm Gottes, das hinwegträgt die Sünde der Welt“).
Der Basistext Jes 52,13 – 53,12[1]ist ein vielstimmiges Lied, das in Form eines Bußgebetes Gott für eine Erlösung dankt, die durch das Opfer (victima) den Tätern zugutekommt, weil er sein Leben als Opfer (sacrificium) hingibt.[2]
Es ist das letzte von vier Gottesknechtliedern, die das Leben und Sterben eines Propheten besingen (Jes 42,1-9; 49,1-9; 50,4-9).
Es ist als Wechselgesang aufgebaut.
Jes 52,12ff. | Die Präsentation des Knechtes durch Gott |
Jes 53,1-11a | Der Bericht der Täter - über ihre Tat, die Erniedrigung des Knechtes, den sie ür einen Verworfenen hielten (53,1-9) - über die Erhöhung des Knechtes durch Gott (53,10.11a) |
Jes 53,11b-12 | Das abschlieĂźende Urteil Gottes ĂĽber den Knecht |
Der Prophet Jesaja, der ideale Autor, weiß, was Gott im Sinn hat und was die Israeliten bewegt. Er schließt sich mit den Tätern zusammen („Wir“). Aber er behält die Offenheit Gottes.
Der leidende Gottesknecht erträgt sein ungerechtes Leiden nicht nur, sondern nimmt es an, um es zum Guten zu wenden. Es soll zum Mittel der Versöhnung werden – und Gott verwirklicht diese Intention des Knechtes. Dafür steht das Opfer (Jes 53,10). Die Einheitsübersetzung sieht es – wie viele evangelische Theologen – als „Sühnopfer“, das stellvertretend die Strafe für eine Schuld auf sich nimmt.
Eher aber ist an ein „Sündopfer“ gedacht (z.B. Lev 4,13-26), das die tödliche Macht der Sünde darstellt: Sie kommt am Tier zur Auswirkung, so dass der Täter von der Last seiner Schuld befreit wird.[3]
Das Opfer ist, so oder so, nicht der Preis, den Menschen bezahlen, um Gott zu besänftigen, sondern eine Gabe, die sie darbringen können, um sich ehrlich zu machen, weil er ihnen diesen Weg öffnet.
Der leidende Gottesknecht erlebt zwar Gewalt, nimmt sie aber in sein Gottesverhältnis hinein und lässt es so den Tätern zugutekommen. Durch Jes 53 geschieht eine Humanisierung der Vergebung, die Maßstäbe setzt, auch wenn die Identität des Gottesknechtes unklar bleibt.[4]So wird das Leiden nicht gottgefällig, aber auf die Bitte seines Knechtes hin von Gott zum Guten gewendet, für das Opfer und für die Täter.
Jes 53 ist im Alten Testament ein Solitär, hat aber eine schwache Resonanz in der frühjüdischen Märtyrertheologie gefunden, vielleicht erst nachneutestamentlich (4Makk 6,27ff.; 17,21f.). Hier ist der Einfluss eines griechischen Motivs vom „edlen Tod“ zu spüren, den ein Held für andere auf sich nimmt.[5]
Die theologische Pointe:
Der ungerecht Leidende nimmt das ihm zugefügte Unrecht vor Gott auf sich, damit die Übeltäter, die es verursacht haben, nicht bestraft werden. Auf diese Weise wird das Leiden selbst zum Mittel des Heiles für die Sünder. Gott steht zu seinem leidenden Knecht, indem er sein Leiden als Sündopfer annimmt.
Die theologische Leistungsfähigkeit:
Das „Für“ ist der Grundzug des Sterbens wie des Lebens Jesu. Er hat keine Grenze. Der Tod steht für das Definitive der Zuwendung. Das Leiden Jesu hat in seiner Proexistenz und Theozentrik Heilsbedeutung, insofern er Sühne für die Sünde als Voraussetzung der Vergebung leistet.
Weil Jesus der Sohn Gottes ist, kann sein Tod universale und eschatologische Vergebung schaffen.
[1]Eine klassische Literarkritik E. Haag, Der Gottesknecht bei Deuterojesaja (EdF 233), Darmstadt 1985.
[2]Vgl. B. Janowski – Peter Stuhlmacher(Hg.), Der leidende Gottesknecht. Jes 53 und seine Wirkungsgeschichte (FAT 14), Tübingen 1996.
[3]Vgl. A. Schenker, Die Anlässe zum Schuldopfer Ascham, in: Studien zu Opfer und Kult im Alten Testament (FAT 3), Tübingen 1992, 45-66.
[4]Vgl.H. Spieckermann, Gottes Liebe zu Israel (FAT 33), TĂĽbingen 2001, 141-153
[5]Vgl. J.-W. van Henten - Friedrich Avemarie, Martyrdom and NobleDeath. Selected Texte from Graeco-Roman, Jewish and Christian Antiquity, London 2002. So im Beispiel eines Reisegefährten des Aeneas bei Vergil (Aen. 5,815): unum pro multis dabitur caput.