Prädiktive Werte

Ein Zustand mit zwei möglichen Ausprägungen, beispielsweise \(K\) für "krank" oder "positiv" und \(K^c\) für "gesund" oder "negativ", soll mithilfe eines Testverfahrens mit zwei möglichen Ergebnissen, beispielsweise \(T\) für "Diagnose krank" oder "Ergebnis positiv" und \(T^c\) für "Diagnose gesund" oder "Ergebnis negativ", ermittelt werden. Die Güte des Tests wird durch die folgenden Werte bestimmt.

Ist nun bei Anwendung des Tests der tatsächliche Zustand unbekannt, so werden je nach Testergebnis die folgenden Größen unterschieden:

Mit dem Satz von Bayes lassen sich Formeln zur Berechnung dieser Größen in Abhängigkeit von der Sensitivität \(p_{\text{se}}=P(T|K)\), der Spezifität \(p_{\text{sp}}=P(T^c|K^c)\) und der Prävalenz \(q=P(K)\) herleiten.

Der positive prädiktive Wert ist die bedingte Wahrscheinlichkeit \(P(K|T)\). Mit dem Satz von Bayes gilt \begin{align*} P(K|T) &=\frac{P(T|K)P(K)}{P(T|K)P(K)+P(T|K^c)P(K^c)}\\ &=\frac{P(T|K)P(K)}{P(T|K)P(K)+(1-P(T^c|K^c))(1-P(K))}\\ &=\frac{p_{\text{se}}q}{p_{\text{se}}q+(1-p_{\text{sp}})(1-q)}. \end{align*} Die Falscherkennungsrate \(P(K^c|T)\) ist die Gegenwahrscheinlichkeit des positiven prädiktiven Werts und somit gleich \begin{align*} P(K^c|T) &=1-P(K|T)\\ &=1-\frac{p_{\text{se}}q}{p_{\text{se}}q+(1-p_{\text{sp}})(1-q)}\\ &=\frac{(1-p_{\text{sp}})(1-q)}{p_{\text{se}}q+(1-p_{\text{sp}})(1-q)}. \end{align*} Der negative prädiktive Wert ist die bedingte Wahrscheinlichkeit \(P(K^c|T^c)\). Mit dem Satz von Bayes gilt \begin{align*} P(K^c|T^c) &=\frac{P(T^c|K^c)P(K^c)}{P(T^c|K)P(K)+P(T^c|K^c)P(K^c)}\\ &=\frac{P(T^c|K^c)(1-P(K))}{(1-P(T|K))P(K)+P(T^c|K^c)(1-P(K))}\\ &=\frac{p_{\text{sp}}(1-q)}{(1-p_{\text{se}})q+p_{\text{sp}}(1-q)}. \end{align*} Die Falschauslassungsrate \(P(K|T^c)\) ist die Gegenwahrscheinlichkeit des negativen prädiktiven Werts und somit gleich \begin{align*} P(K|T^c) &=1-P(K^c|T^c)\\ &=1-\frac{p_{\text{sp}}(1-q)}{(1-p_{\text{se}})q+p_{\text{sp}}(1-q)}\\ &=\frac{(1-p_{\text{se}})q}{(1-p_{\text{se}})q+p_{\text{sp}}(1-q)}. \end{align*}

Die folgende interaktive Grafik visualiert diese mathematischen Abhängigkeiten mithilfe von Kreisdiagrammen. Im linken Kreisdiagramm ist der positive prädiktive Wert in dunklem Blau und die Falscherkennungsrate in hellem Blau gezeichnet. Im rechten Kreisdiagramm ist der negative prädiktive Wert in dunklem Rot und die Falschauslassungsrate in hellem Rot gezeichnet. Die jeweiligen Zahlenwerte werden in der Tabelle angezeigt.

Verändern Sie die Werte von Sensitivität, Spezifität und Prävalenz über die Schieberegler oder die Eingabefelder.




positiver prädiktiver Wert \(P(K|T)\)
Falscherkennungsrate \(P(K^c|T)\)
negativer prädiktiver Wert \(P(K^c|T^c)\)
Falschauslassungsrate \(P(K|T^c)\)

Zum Nachdenken

Beschreiben Sie mithilfe der interaktiven Grafik qualitativ die mathematischen Abhängigkeiten des positiven und negativen prädiktiven Werts von der Sensitivität, Spezifität und Prävalenz. Geben Sie in der Situation, dass ein medizinisches Testverfahren zur Diagnose einer Krankheit angewendet wird, jeweils eine anschauliche Erklärung für Ihre Beobachtungen.

Positiver prädiktiver Wert

  • Bei Erhöhung oder Verringerung der Prävalenz sehen wir, dass sich der PPV ebenfalls erhöht bzw. verringert. Der PPV hängt also monoton steigend von der Prävalenz ab. Anschaulich können wir das so erklären, dass mit zunehmender Verbreitung einer Krankheit, d.h. mit größerer Prävalenz, sich unter den positiv getesteten Personen auch ein größerer Anteil tatsächlich erkrankter Personen befindet, wodurch der PPV zunimmt.
  • Bei Erhöhung oder Verringerung der Sensitivität sehen wir, dass sich der PPV ebenfalls erhöht bzw. verringert. Der PPV hängt also monoton steigend von der Sensitivität ab. Das kann anschaulich damit erklärt werden, dass bei verbesserter Sensitivität mehr tatsächlich erkrankte Personen als positiv erkannt werden, wodurch der PPV größer wird.
  • Analog zur Sensitivität sehen wir, dass der PPV auch von der Spezifität monoton steigend abhängt. Bei verbesserter Spezifität werden nämlich mehr tatsächlich gesunde Personen negativ getestet, wodurch in der Gruppe der positiv getesteten Personen der Anteil der tatsächlich Erkrankten und somit auch der PPV zunimmt.

Negativer prädiktiver Wert

  • Bei Erhöhung oder Verringerung der Prävalenz sehen wir, dass der NPV sich genau entgegengesetzt verhält. Der NPV hängt also monoton fallend von der Prävalenz ab. Anschaulich können wir das so erklären, dass mit zunehmender Verbreitung einer Krankheit, d.h. mit größerer Prävalenz, sich auch unter den negativ getesteten Personen ein größerer Anteil tatsächlich erkrankter Personen befindet, wodurch der NPV abnimmt.
  • Bei Erhöhung oder Verringerung der Sensitivität sehen wir, dass sich der NPV ebenfalls erhöht bzw. verringert. Der NPV hängt also monoton steigend von der Sensitivität ab. Das kann anschaulich damit erklärt werden, dass bei verbesserter Sensitivität weniger tatsächlich erkrankte Personen als negativ erkannt werden, wodurch der NPV größer wird.
  • Analog zur Sensitivität sehen wir, dass der NPV auch von der Spezifität monoton steigend abhängt. Bei verbesserter Spezifität werden nämlich mehr tatsächlich gesunde Personen negativ getestet, wodurch in der Gruppe der negativ getesteten Personen der Anteil der tatsächlich Erkrankten und somit auch der NPV abnimmt.