Ultraschall-Laufzeitdifferenzverfahren

Das „Ultraschall-Laufzeitdifferenzverfahren“ ist ein wichtiger Lösungsansatz in der Durchflussmesstechnik. Das Verfahren dient einer zuverlässigen Ermittlung der Messgröße "Geschwindigkeit" von strömenden Flüssigkeiten oder Gasen, den so genannten Fluiden, in Rohrleitungssystemen. Dieser Lösungsansatz findet hauptsächlich in der industriellen Messtechnik seine Anwendung. Die Ermittlung der Fluidgeschwindigkeit ist für die Prozessautomatisierung eine wichtige Kenngröße. Der Nutzen des Verfahrens besteht in der realisierbar automatisierten Prozessüberwachung. [1,2,6]

Anwendungsgebiete:

  • Rohstoffförderung und -verarbeitung
  • Lebensmittelproduktion
  • Chemie- und Pharmaindustrie
  • Wasserwirtschaft 

Verfahren

Das Ultraschall-Laufzeitdifferenzverfahren ist ein technisches Verfahren und dient zur Bestimmung von Laufzeitdifferenzen zwischen Ultraschallwellen, die ein Fluid gegenläufig durchlaufen. Laufzeitdifferenzen entstehen durch die Ablenkung der mechanisch gekoppelten Ultraschallwellen, die durch eine Bewegung des Fluids entstehen. Folglich dienen die Laufzeitdifferenzen als Basis zur Ermittlung der Fluidgeschwindigkeit, mit deren Hilfe eine Aussage über den Volumenfluss und Massenfluss erst ermöglicht wird. [1,2,6]

Klassifikation

In der Durchflussmesstechnik wird zwischen der Bestimmung von Volumen und Massen unterschieden. Der Übergang vom Volumen zur Masse wird durch die Fluid-Dichte bestimmt. Die Dichte eines Fluids ist allerdings von vielen Eigenschaften, wie unter anderen Viskosität und Temperatur, abhängig. Daher ist der Massendurchfluss entscheidender als der Volumenfluss. Der Grund dafür ist, weil die Masse in einem geschlossenen System konstant ist. Die Bestimmung des Volumenflusses ist in der Regel weniger aufwändig und daher wirtschaftlicher. [1]

Volumenfluss: $$ q_v = \dot{V} = \frac{dV}{dt} $$

Überführung: $$ q_m = \rho \cdot q_v $$, $$ \rho $$ := Fluid-Dichte

Massenfluss: $$ q_m = \dot{m} = \frac{dm}{dt} $$

Des Weiteren lassen sich die Verfahren in der Durchflussmesstechnik in mechanische und elektrische aufteilen. Die mechanischen Verfahren sind historisch bedingt früher entstanden, wobei einige davon bis heute ihre Gültigkeit bewahrt haben. Im Zuge der Forschung und der Weiterentwicklung sind elektrische Verfahren entstanden, deren maßgebende Vorteile die geringe Kosten und Wartung sind. [2,6] 

Ultraschall

Der Schall besteht aus rein mechanischen Wellen. Im Fluid sind allerdings nur Longitudinalwellen ausbreitungsfähig. Dagegen können sich in Festkörpern sowohl Transversal- als auch Longitudinalwellen ausbreiten. Im Vakuum kann keine Schallausbreitung stattfinden, da Schallwellen zur Ausbreitung eine Massenkopplung brauchen.

Entsprechend dem Frequenzbereich werden Schallwellen wie folgt unterschieden:

Schallart

Frequenzbereich

Anwendung

Infraschall

Bis 16Hz

Erdbeben, Gewitter

Hörschall

16Hz – 20kHz

Akustik, Audiotechnik

Ultraschall

20kHz – 1,6GHz

Sensorik, Medizintechnik

Hyperschall

Ab 1GHz

Spezielle Messtechnik

Ultraschall wird für viele Anwendungen genutzt. In diesem Artikel soll sich die Betrachtung der Ultraschallwellen auf die messtechnische Anwendungen mit Fluiden beschränken. Da Dampf beim Prozess der Sublimation auftritt und noch kein vollständiges Gas ist und auch teilweise einen flüssigen Zustand aufweist, kann es als ein Gemisch aus beiden Formzuständen angenommen werden. Daher ist der Gemisch mit Ultraschall ebenfalls messbar.

Mechanische Wellen weisen beim Laufzeitdifferenzverfahren unter gleichen physikalischen Ausgangsbedingungen einer Anordnung für verschiedene Fluide unterschiedliche Ausbreitungsgeschwindigkeiten auf. Dabei ist die spezifische Ausbreitungsgeschwindigkeit für Fluide abhängig von der Fluid-Dichte, Viskosität, Temperatur, Kompressibilität etc. Üblich für das Verfahren ist die Nutzung unterschiedlicher Ausbreitungsfrequenzen. Für Gase werden tiefere Frequenzen im 100kHz-Bereich und für Flüssigkeiten im MHz-Bereich verwendet. 

Vor- und Nachteile

Das Verfahren der Ultraschall-Laufzeitdifferenzmessung hat, gegenüber mechanischen Volumenfluss-Messern, keinen Druckabfall im Messrohr, da hierfür keine Rohrverengung oder ein zusätzlicher Störkörper notwendig ist. Zusätzlich zur Bestimmung der Laufzeitdifferenz kann die spezifische Fluid-Schallgeschwindigkeit ermittelt werden. Dieser Benefiz ist vor allem für die Detektion einer Änderung im Fluid interessant. Zudem ist die Signalverarbeitung und -auswertung relativ einfach, weshalb das Verfahren gegenüber anderen auch noch wirtschaftlich ist.

Die Ultraschall-Laufzeitdifferenzmessung hat auch einige Nachteile, die bei konkurrierenden Verfahren ebenso vorhanden sind. So wird die Messmöglichkeit bei größeren Feststoffteilchen und Gasbläschen im Fluid begrenzt. Des Weiteren ist die Messung stark vom Strömungsprofil abhängig. Der Fehler bei einer ungenauen Laufzeitmessung wirkt sich direkt als Messfehler auf den Volumenfluss aus. Das heißt also: Je genauer die Laufzeitdifferenz ermittelt werden kann, desto genauer ist die Messung des Volumenflusses. [6,7]

Messprinzip
Abb. 1: Konzept zur Ultraschall-Laufzeitdifferenzmessung

Die Abbildung 1 zeigt prinzipiell ein Konzept zur Messung von Ultraschall-Laufzeitdifferenzen in beide Richtungen zwischen zwei Ultraschall-Sensoren, die schräg auf einem Messrohr angebracht sind. Eine Messung ist nur im vom Hersteller festgelegten Messbereich der Fluidgeschwindigkeit möglich, da bei sehr hohen Geschwindigkeiten der Wellenstahl zu stark abgelenkt werden kann. In der Regel ist die Fluidgeschwindigkeit inhomogen im Messrohr verteilt und hat einen wechselhaften Charakter (Verwehung). Die gemessene Laufzeitdifferenz des Ultraschalls ist im Grunde eine Integration ortsgebundener Geschwindigkeitsanteile über den gesamten Messpfad. Auf dem Weg erfährt die mechanische Welle in jedem Punkt der Wegstrecke eine unterschiedliche Ablenkung, was zur einer Mittelwertbildung über den gesamten Pfad führt. [6]

Folgende Zusammenhänge bestehen für das Verfahren:

Laufzeit von $$ S_1 \rightarrow S_2 $$:

$$ T_{12} = \frac{D}{sin(\alpha)} \cdot \frac{1}{c_0 + \bar{v} \cdot cos(\alpha)} $$

Laufzeit von $$ S_2 \rightarrow S_1 $$:

$$ T_{21} = \frac{D}{sin(\alpha)} \cdot \frac{1}{c_0 - \bar{v} \cdot cos(\alpha)} $$

Mittlere Fluid-Geschwindigkeit:

$$ \bar{v} = \frac{D}{ sin(2 \alpha)} \cdot \frac{(T_{21} - T_{12})}{T_{12} \cdot T_{21}} $$

Ultraschall-Geschwindigkeit:

$$ c_0 = \frac{D}{2 \cdot sin(\alpha)} \cdot \frac{(T_{21} + T_{12})}{T_{12} \cdot T_{21}} $$

Bedingungen für $$ \bar{v} $$ und $$ c_0 $$:

$$ sin(\alpha) \neq 0$$, $$ \frac{D}{sin(\alpha)} \cdot \frac{1}{T_{12}} \neq 0 $$ und $$ \frac{D}{sin(\alpha)} \cdot \frac{1}{T_{21}} \neq 0 $$

Volumenfluss:

$$ q_v = A \cdot \bar{v} = \frac{\pi \cdot D^2}{4} \cdot \frac{D}{ sin(2 \alpha) } \cdot \frac{(T_{21} - T_{12})}{T_{12} \cdot T_{21}} $$

Strömungsprofil

Strömungsprofilv4
Abb. 2: Fluid-Geschwindigkeit abhängig vom Radius

Charakteristisch für das Strömungsprofil im Messrohr ist eine parabelförmige Bewegung eines Fluids (Abbildung 2). Je größer die Strömung, desto steiler die Parabelfunktion. Durch Turbolenzen des Fluids, die beispielweise durch Rohrkanten oder Richtungswechsel hervorgerufen werden können, wird das Strömungsprofil zunehmend verzerrt. Das Maximum der Parabel kann so seine Position über die gesamte Querschnittfläche zeitlich ändern. Dieser Effekt kann zu erheblichen Messfehlern führen, wenn nur einen Messpfad benutzt wird. Die Lösung gegen diese Einschränkung ist, eine sequenzielle Laufzeitmessung über mehrere Pfade. Damit wird ein Integrations-Raster an Fluidgeschwindigkeit über die gesamte Querschnittfläche gemessen, was zwar eine erhebliche Verbesserung ist aber auch 2^n Sensoren erforderlich macht und die Messgeschwindigkeit des Messsystems heransetzt. [3,6,8]

Störquellen

Das Strömungsprofil kann als wesentliche Störquelle der Ultraschall-Laufzeitmessung aufgefasst werden. Auch die genannte Verwehung trägt zum Fehlereinfluss der Messung bei. Ein weiterer Störeinfluss ist das Übersprechen über die Messrohrwand, da die mechanischen Wellen sich in Festkörpern meist schneller ausbreiten, können sie den Empfänger kurz vor dem eigentlichen Signal erreichen und so die gesamte Messung unbrauchbar machen. Um diesen Einfluss zu umgehen, werden Sensoren in zur Rohrwand hin schalldämpfende Fassungen eingesetzt (In-Line-Bauform) oder im Sensorabstand (Clamp-On-Bauform) so lange variiert bis kein Einfluss mehr vorhanden ist. Des Weiteren gibt es in einer industriellen Umgebung viele Störemissionen aufgrund gekoppelter Maschinen an Rohrleitungssystemen. Durch die Fluidbewegung neigen oft  mechanische Ventile zu schwingen. [3,5,6,7,8]

Kalibrierung

Eine Kalibrierung ist bei dem Laufzeitdifferenzverfahren notwendig, da die Auswertung der Signale einen Offsetwert in der Laufzeitmessung aufweist und die Kennlinie aufgrund der Überlagerung vieler Störeinflüsse nur annähernd linear ist. Die Kalibrierung erfolgt meist mit einem um Faktor 10 besseren Durchflussmessgerät als Referenz. Die Korrekturfunktion kann auf unterschiedliche Weise (Ausgleichsgerade, ungerader Polynom, Mehrbereichskompensation etc.) angesetzt werden. [6,7]

Quellen & Literaturhinweise

1. Buch | Taschenbuch der Messtechnik | J. Hoffmann | 1998
2. Buch | Industrielle Durchfluss-Messtechnik | ABB GmbH | 2010
3. Paper | Eingriffsfreie Ultraschall-Durchflussmessung bei gestörten Strömungsprofilen | J. Gätke | 2001
4. Dissertation | Beiträge zur Durchflussregelung von hochreinen und aggressiven Flüssigkeiten | M. Häfliger | 2006 
5. Dissertation | Signalverarbeitung in der Ultraschall-Durchflussmesstechnik | M. Niemann | 2002 
6. Beitrag | Grundlagen der Ultraschall-Durchflussmessung für industriellen Einsatz | KROHNE Messtechnik GmbH & Co. KG, F. Hofmann | 2000 
7. Beitrag | Aspekte der Messunsicherheit von Ultraschall Durchflussmessern | M. Bezdek | 2007 
8. Beitrag | Viskosität und Reynoldzahl | K. Ossietzky | 2011