Thema 11

 

 

 

Plasmatechnik

Ein Plasma ist ein (teil-) ionisiertes Gas, d.h. es besteht aus freien Elektronen, ionisierten und neutralen Atomen, sowie neutralen und geladenen Molekülen. Da ein Gas durch Energiezufuhr in den Plasmazustand übergeht -was vergleichbar ist mit den Übergängen vom festen in den flüssigen und vom flüssigen in den gasförmigen Zustand- wird Plasma häufig als vierter Aggregatzustand bezeichnet. Diese Betrachtung ist in Abbildung 1 dargestellt.

 
Plasma als vierter Aggregatzustand

[Abb. 1 Plasma als vierter Aggregatzustand]

 

Die Energierzufuhr kann auf unterschiedliche Arten geschehen. Hierzu gehören zum Beispiel Thermische Anregung, Ionisierende Strahlung, starke Gleichspannung und Elektromagnetische Anregung (Stichworte: ICP, CCP, DICP).

 Plasmen werden in verschiedensten technischen Gebieten eingesetzt:

  • Beleuchtung: Hier wird ausgenutzt, dass Plasmen Licht emittieren. Vielfach leuchten Plasmen im sichtbaren Lichtspektrum, es werden aber auch Lampen gebaut, mit UV-Licht emittierenden Plasmen, deren Strahlung in einem Leuchtstoff absorbiert wird, der daraufhin im sichtbaren Spektrum leuchtet.
  • Beschichtung: Mit Plasmen ist es möglich sehr dünne, gleichmäßige Beschichtungen auf einen Werkstoff aufzubringen, sowohl aus Metallen (z.B. Gold) als auch aus verschiedenen dielektrischen Materialien.
  • Reinigen: Unter den richtigen Umständen, können Plasmen genutzt werden, um Gegenstände von Verunreinigungen mit Fremdstoffen zu reinigen.
  • Ätzen: Die Nutzung von Plasmen bei Ätzvorgängen basiert auf den gleichen Vorgängen wie die Nutzung zur Reinigung. Im Gegensatz zu chemischen Ätzvorgängen (bspw. mit Säuren) kann Plasma-Ätzen anisotrop sein, d.h. eine Vorzugsrichtung besitzen. Damit ist es möglich schmale, tiefe Strukturen zu ätzen, die bspw. in integrierten Schaltungen Anwendung finden.
  • Sterilisation: Plasmen können zum Abtöten bzw. Deaktivieren von Mikroorganismen eingesetzt werden. Da die dazu nötigen Effekte in Plasmen mit niedriger Temperatur vorkommen, eigenen sich Plasma-Sterilisationsverfahren zur Entkeimung hitzeempfindlicher Kunststoffe und Ähnlichem, z.B. künstlicher Gelenke. Außerdem gibt es Forschungsansätze zur In-Vivio-Sterilisation lebenden Gewebes. Zum Beispiel können schlecht heilende Wunden mit speziellem Plasma entkeimt werden, um die Wundheilung zu verbessern.
    Die sterilisierende Wirkung von Plasmen basiert auf chemischen Prozessen, wohingegen bei Reinigungs- und Ätzverfahren überwiegend physikalische Prozesse genutzt werden.

 

 Plasmen lassen sich je nach Prozessdruck in Niederdruck-, Hochdruck- und Normaldruckplasmen unterteilen. Erstere werden bei einem Druck von wenigen Pascal erzeugt und eignen sich für viele technische Anwendungen. In Hochdruckplasmen ist der Druck wesentlich größer als der Atmosphäre, sie werden in speziellen Hochdruck-Entladungslampen eingesetzt. Im Gegensatz zu diesen beiden Kategorien, ist für die Erzeugung von Normaldruckplasmen kein Reaktor nötig, um den entsprechenden Druck aufrechtzuerhalten. Das macht sie vor allem für Oberflächenbehandlungen interessant.

 

Plasmadiagnostik

Bei technischen Anwendungen von Plasmen müssen die Prozessparameter jeweils so eingestellt werden, dass das beteiligte Plasma die gewünschten Eigenschaften aufweist und der Prozess dementsprechend zum gewünschten Ergebnis führt. Dazu sind plasmadiagnostische Messeinrichtungen nötig, die die Prozessparameter überwachen, um eine Regelung der Prozesse zu ermöglichen.

Zu überwachen sind dabei vor allem die folgenden Parameter:

  • Elektronentemperatur $ T_{\rm e} $
    • gibt Aufschluss über die kinetische Energie der Elektronen
  • Elektronendichte $ n_{\rm e} $
    • Dichte der freien Elektronen
  • Stoßfrequenz ν
    • Kehrwert der Relaxationszeit τ, die angibt welche Zeit zwischen zwei Stößen eines Elektrons mit anderen Teilchen liegt
  • Prozessdruck

An dieser Stelle wird ein Überblick über einige Messeinrichtungen gegeben und anschließend ein Beispiel etwas näher betrachtet.

Plasmadiagnostikverfahren können in verschiedene Kategorien unterteilt werden:

  • elektrostatische Sonden wie zum Beispiel die weiter unten beschriebene Langmuir-Sonde.
  • Plasmaresonanzspektroskopie (PRS): Plasmen können mit hochfrequenten Signalen in der Nähe ihrer Elektronenplasmafrequenz zur Resonanz angeregt werden. Diese Eigenschaft wird von PRS-Verfahren ausgenutzt, die aus dem Resonanzverhalten die Parameter des Plasmas bestimmen. PRS-Verfahren werden weiterhin unterteilt:
    • passisve PRS: Nutzt vorhandene Schwingungen im Plasma.
    • aktive PRS: Koppelt Energie in das Plasma ein.
      • elektromagnetisch: Es werden elektromagnetische Felder oberhalb der Elektronenplasmafrequenz angeregt. Auch ohne das Plasma wirkt der Plasmareaktor dabei als Resonator. Die auftretenden Resonanzfrequenzen werden durch das Plasma verstimmt. Die Zusammenhänge zwischen den Resonanzen und den Plasmaparametern sind derart kompliziert, dass bei eletromagnetischen PRS-Verfahren auf Näherungsformeln zurückgegriffen werden muss. Ein Beispiel für eine EM-PRS ist die Hairpin Sonde.
      • elektrostatisch: Bei diesen Messverfahren ist die Sonde mit einem Dielektrikum ummantelt. Dieses Dielektrikum bildet mit dem Plasma einen Resonator. Ein Beispiel für eine ES-PRS ist die Plasmaabsorptionssonde. Auch bei diesem Verfahren treten komplizierte Zusammenhänge zwischen Resonanzen und Plasmaparametern auf. Aufgrund der umfangreichen Entwicklungs- und Simulationsarbeit sind diese jedoch besser bekannt als bspw. bei der Hairpin Sonde.
  • Emissionsspektroskopie: Hierbei wird die vom Plasma emittierte elektromagnetische Strahlung analysiert.

Langmuir-Sonde

Die Langmuir-Sonde ist eine elektrostatische Messeinrichtung, mit der verschiedene Parameter von Niederdruckplasmen bestimmt werden. Die Sondenspitze ist meist zylinder- oder kugelförmig und besteht aus Wolfram. Der Rest der Sonde ist zur Isolation keramisch ummantelt und durch eine Metallhülle (z.B. Aluminium) vor mechanischen Beschädigungen geschützt.

Skizzen einer Langmuirsonde mit zylindrischer Spitze. Links: Längsschnitt. Rechts: Frontansicht. Die dielektrische Ummantelung ist in rot dargestellt.

[Abbildung2: Skizzen einer Langmuir-Sonde. Links: Längsschnitt. Rechts: Frontansicht. Die keramische Ummantelung ist in Rot dargestellt.]

Die Theorie der Langmuir-Sonden-Messung wurde 1926 von Irving Langmuir und H.M. Mott-Smith veröffentlicht. 

Messbare Parameter und Messprinzip

Mit einer Langmuir-Sonde können folgende Parameter in einem Plasma bestimmt werden:

  • Elektronentemperatur $ T_{\rm e} $
  • Elektronendichte $ n_{\rm e} $
  • Floatingpotential $ U_{\rm fl} $
  • Plasmapotential $ U_{\rm pl} $

An die im Plasma positionierte Sonde wird eine variable Spannung angelegt, wobei in den meisten Fällen das Metall des Plasma-Reaktors als Masse-Bezug dient. Mit dem Aufbau können die Parameter ortsaufgelöst bestimmt werden, indem pro Messpunkt eine Strom-Spannungs-Kennlinie aufgenommen wird. Die Parameter werden im Anschluss aus dem Verlauf dieser Kennlinie bestimmt.

 

idealisierte Kennlinie einer Langmuir-Sonde

[Abb. 3: ideale Kennlinie einer Messung mit einer Langmuir-Sonde]

Wie in Abbildung 3 dargestellt, lässt sich die Kennlinie in drei Bereiche aufteilen:

  1. Ionensättigungsstrombereich
  2. Elektronenanlaufstrombereich
  3. Elektronensättigungsstrombereich
Ionensättigungsstrombereich

Durch Anlegen eines stark negativen Potentials werden die Elektronen im Plasma von der Sonde abgestoßen und die positiven Ionen angezogen. Die Ionen bilden eine Raumladungszone um die Sonde, die das Sondenpotential abschirmt, was dazu führt, dass der Ionenstrom schon bei einem relativ kleinen Betrag in Sättigung gerät.

Elektronenanlaufstrombereich

Durch Erhöhen des Sondenpotentials beginnt zusätzlich zum Ionenstrom ein exponentiell ansteigender Elektronenstrom zu fließen, da immer mehr Elektronen -abhängig von ihrer Geschwindigkeit- die Ionen-Raumladungszone um die Sonde überwinden können.
Wenn der Elektronenstrom betraglich gleich dem Ionensättigungsstrom ist, fließt in Summe kein Sondenstrom mehr. Das Sondenpotential bei dem sich dieser Zustand einstellt heißt Floatingpotential $ U_{\rm fl} $. Auf dieses Potential würde sich eine Sonde einstellen, an die kein äußeres Potential angelegt wird.

Elektronensättigungsstrombereich

Wenn das Sondenpotential gleich dem Plasmapotential $ U_{\rm pl} $ ist, existiert keine Raumladungszone mehr um die Sonde und der Sondenstrom entspricht der Summe aus Ionen- und Elektronensättigungsstrom. Wird das Sondenpotential weiter erhöht, geht der Ionenstrom zurück bis er zu Null wird und der Sondenstrom gleich dem Elektronensättigungsstrom ist.

 

Einsetzbarkeit von Langmuir-Sonden

Voraussetzungen:

  • Das Plasma ist groß gegenüber der Debye-Länge und damit quasineutral. (Die Debey-Länge entstammt der Debye-Hückel-Theorie und kann interpretiert werden, als der Radius der abschirmenden Ionenwolke, die jedes Ion innerhalb einer nach außen elektrisch neutralen Ladungsverteilung umgibt.) Außerdem muss der Druck im Plasma so niedrig sein, dass die Randschicht, die sich um die Sonde ausbildet, klein gegen die mittleren freien Weglängen der Elektronen und Ionen und somit stoßfrei ist. Diese beiden Bedingungen sind in Niederdruckplasmen erfüllt.
  • Die Elektronentemperatur $ T_{\rm e} $ muss groß gegenüber der Ionentemperatur $ T_{\rm i} $ sein. Auch diese Forderung kann in Niederdruckplasmen erfüllt werden.
  • Die Sonde darf das Plasma möglichst nicht verändern. Das heißt der Sondenstrom muss so klein sein, dass die Eigenschaften des Plasmas nicht beeinflusst werden und die Sondenspitze muss so klein sein, dass die Ladungsträger im Plasma möglichst wenig beeinflusst werden (in Größenordnung der Debye-Länge)

Sonderfälle:

  • Wenn eine Langmuir-Sonde zur Diagnostik in einem dielektrisch beschichtenden Verfahren eingesetzt ist, kommt es zur isolierenden Beschichtung der Sondenspitze. Damit wird die Sonde unbrauchbar, da die Strom-Messung verfälscht oder vollständig unterbunden wird. Durch Entfernen der Beschichtung kann die Sonde aber wieder nutzbar gemacht werden.
  • Problematisch kann der Einsatz einer elektrostatischen Sonde außerdem sein, wenn Messungen an hochfrequent angeregten Plasmen vorgenommen werden sollen, da das Plasmapotential dieser Plasmen nicht konstant ist, sondern schwingt. Um in einem solchen Plasma mit einer Langmuir-Sonde zu messen, wird dafür gesorgt, dass die Sonde mit dem Plasma schwingt, wodurch man wieder einen quasi-elektrostatischen Zusammenhang zwischen Plasmapotential und Sondenpotential erhält.

Literatur

  • G. Franz, "Niederdruckplasmen und Mikrostrukturtechnik", Springer-Verlag, 2004
  • M.A. Lieberman, A.J. Lichtenberg, "Principles of Plasma Discharges and Material Processing", Wiley-Interscience, 2005